Da arbeite ich nun. Ich meine, wenn ich aus dem Fenster blicke, dann sehe ich das. Oder Teile davon. Sieht irgendwie doch gut aus. Jedenfalls sehenswert.
Vor Jahren, Jahrzehnten, bin ich als junge Studentin von Aachen, dort studierte mein Freund, nach Köln, meinem damaligen zu Hause, gefahren. Mit dem Zug. In meinem Abteil saß ein sehr alter Mann. Mit dem kam ich ins Gespräch. Er war Architekt, lange schon nicht mehr als solcher tätig. Und er erklärte mir, was an modernen Hochhäusern falsch ist. Er meinte an diesen Betonbunkern. Die einfach nur schachtelförmig funktional sind.
Wir fuhren durch Bonn und da kann man noch viele alte Häuser sehen. Er erklärte mir die Bedeutung der Ornamente, der gemeißelten Fensterrahmen, der Schnörkel, die natürlich alle einen bestimmten Namen haben, den ich aber nicht mehr erinnere. Das Auge muss wandern, sagte er mir, es muss eine Fassade entdecken und nicht einfach nur darübergleiten. Es muss an kleinen Dingen hängen bleiben, jede Fassade muss anders sein, damit der Mensch immer wieder etwas Neues zu betrachten hat, damit seine Augen mit den Formen spielen können. Damit er sehen kann. Und aufnehmen. Das aufnehmen, was sich der Architekt dabei gedacht hat. Und so „spricht“ der Architekt mit dem Betrachter. Beide werden sich nicht kennen, vielleicht niemals sehen, aber ihre Blicke werden Worte formen und über die Fassade wandern lassen und so werden sie sich gegenseitig berühren. Mit den Augen.
Unsere Welt ist ärmer geworden. Hochhäuser kriegen Awards für sonstwas tolles, aber die Berührung mit den Augen, die fehlt mir. Fast überall. Im Stadtbild sieht sowas ja durchaus klasse aus, wie dieses GAP da in Düsseldorf. Als Teil. Aber die Augen gleiten darüber und fühlen nichts.
Der alte Architekt, der bestimmt schon lange tot ist, hat mir erklärt, dass Augen fühlen können. Ich weiß jetzt, wie das geht. Und ich weiß, worauf ich dabei achten muss.