1952 bauten meine Großeltern ein Haus. In einem Dorf, was noch keins war. Weil es da nur zwei Straßen gab. Die eine und die andere, und da wohnten wir. Naja, Straße ich falsch, es waren Kieswege. 1000 qm Land war bei jedem Haus dabei, heute fast unvorstellbar. Zumal für die Gegend, 15 km von Düsseldorf entfernt. Als ich geboren wurde, 1959, gab es nicht viel mehr, nur dass die Siedler, so wurden sie genannt, nun gute und ertragreiche Gärten hatten. Das brauchten sie auch, weil sie ihre „Waren“ tauschen mussten. Geschäfte gab es keine. Meine Großeltern bauten Kartoffeln und Erdbeeren an. Und die Nachbarnsfamilie hatte Stachelbeeren, da standen wir als Kinder immer und pflückten die Sträucher leer…
Oben in dem Haus wohnten Übersiedler, 12 Jahre Mietzeit, im Gegenzug waren die Baudarlehen verbilligt. Und von den Menschen damals konnte sich keiner ein teures Darlehen leisten, darum lebte in jedem Haus eine polnische Familie und darum liebe ich die polnisch-deutsche Aussprache heute noch sehr. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück zu meinem Schlafzimmer. Als ich das Bild also fand, da musste ich daran denken, was da in dem Zimmer alles mal war. Ganz zu Anfang war es kein Zimmer, da war es ein Speicher und durch den Speicher führten dicke Kabel, die Stromleitungen. Die Häuser brauchten ja Strom. Und darum sind in den alten Siedlerhäuschen die Sicherungskästen auch in der oberen Etage. Weil der Strom ja von oben kam. Zum Speicher kam man über eine herunterklappbare Speichertreppe. Oma versuchte immer, diese Speichergänge vor mir zu verheimlichen, denn natürlich wollte ich mit. Und wenn ich mit durfte, weil ich sie „erwischt“ hatte, dann musste sie mir alles erklären und ich wollte in jede Kiste schauen und jede Dose aufmachen und meist fand ich etwas, was sich zum spielen hervorragend eignete.
Dann zog die Aussiedlerfamilie aus und meine Eltern zogen ein und weil die Wohnungen so klein waren und ich noch eine Schwester bekam, baute mein Vater das Dach zum Elternschlafzimmer um. Mit Rosentapeten. Das war mein Schulklasse, dort spielte ich nämlich immer Lehrerin und die Rosen waren meine Schüler.
Dann wurde getauscht, das Elternschlafzimmer kam nach unten und wir Kinder zogen nach oben. Da wurden die Rosen dann mit Postern von Sweet und Urea Heep bedeckt, ich fand schon mit 12 langhaarige Männer klasse… aber das ist auch eine andere Geschichte.
Tja und dann bauten meine Eltern ein eigenes Haus direkt neben das Haus der Eltern und in die Wohnung zogen dann meine anderen Großeltern aus Berlin. Aus dem ehemaligen Speicher wurde ein Besucherschlafzimmer, wenn Oma Berlins Verwandte aus der DDR kamen. Und irgendwann schlief Oma Berlin da, weil Opa Berlin so furchtbar schnarchte.
Und irgendwann wurde ich groß und zog fort.
Tja, und wie das Leben so spielt, bekam ich eines schönen Tages eine Stelle in Düsseldorf. Da lebte meine Oma, die mit mir immer auf den Speicher ging, und beide Opas, schon nicht mehr. Und so fragte mein Vater, ob ich nicht vielleicht…
Und so kam ich zurück. Aus dem Besucherschlafzimmer wurde mein Schlafzimmer. Und das ist das Bild, was ich gefunden habe. Nebenan hat mein Vater sogar eine kleine Toilette eingerichtet. Heute ist es das Computerzimmer meines Mannes. Welches ich nicht betrete, weil ich sonst einen Schreikrampf kriege. Das ist auch wieder eine andere Geschichte…
Das Haus wurde noch oft geändert, weil Oma Berlin noch dort lebte und meine Tante und dann tauschten wir fröhlich die Zimmer, weil Oma Berlin konnte keine Treppen mehr steigen und was es sonst noch alles für Gründe gab. Heute lebe ich dort alleine mit meinem Mann. Und dem ehemaligen Speicher, den ich nicht betrete, weil ich möchte meinen Mann gerne behalten und ich weiss nicht, wie ich reagiere, wenn ich …
Und wie kommt Gott da ins Spiel? Nun, unten in der Küche meiner Oma, der Speicheroma, hing ein Bild von Maria, in blau, wie sie eine Treppe herabsteigt und die Hand zum Segen erhebt. Oma, die nie viel von Kirche gehalten hat, aber dennoch Heiligenbildchen liebte, musste mir immer und immer wieder die Geschichte von Maria, der Mutter Gottes, erklären. Das ist also die Mutter von Gott? Nun, sie hat es mir nie richtig begreiflich machen können, Jesus und Vater und Sohn und Gottes Sohn, das war mir alles zu hoch. Logisch denken konnte ich aber schon damals. Wenn es also ein Bild von der Mutter von Gott gibt, dann muss es auch ein Bild von Gott geben. Wo ist das?
Irgendwann hat meine Oma meine Fragerei und mein Drängen nicht mehr ertragen und leichtsinnigerweise gesagt, das Bild von Gott liegt auf dem Speicher.
Halleluja!!
Sie wurde mich fortan nicht mehr los und ich wollte unbedingt das Bild von Gott sehen. Sie hat alle Ausreden der Welt erfunden, um nicht mit mir auf den Speicher zu müssen und wenn ich sie doch wieder mal erwischte, musste sie ihr ganzes Geschick einsetzen, damit ich mich nicht an das Bild von Gott erinnerte.
Ich habe das Bild bis heute nicht gefunden 😉 Leider gibt es das Bild von Maria auch nicht mehr. Vielleicht hat meine Oma beides mitgenommen, denn ich bin mir sicher, dass sie im Himmel ist.