…war ich dort gewesen, es war eine Abschiedsreise, mein erster Mann und ich haben uns von unserer Ehe verabschiedet. Auf der Route 66, die wir komplett von Chicago nach Los Angeles gefahren sind.
It's only words, but words are all I have to take your heart away. (Bee Gees)
Wir haben dort in Motels übernachtet, da habe ich wirklich gedacht, gleich biegen Doris Day und Rock Hudson um die Ecke!! Es gab Cafes, da ist die Zeit stehen geblieben. Aber nicht, weil man diesen Stil so wollte, sondern weil das Zeug noch gut war und warum soll man es austauschen? Das war zu einer Zeit, als die Route 66 noch keine Touristenattraktion war. Heute ist das mit Sicherheit ganz anders und vieles ist extra auf alt getrimmt. Ich war seither nicht mehr da und ich glaube, ich werde wohl auch nicht mehr hinfahren. Wir haben damals Bücher zum Thema Route66 gesucht, es gab ein einziges in einer großen Buchhandlung in Köln zu kaufen. Schätze mal, heute wird man erschlagen damit. So ändern sich die Zeiten. Und wir sind glücklich geschieden.
Heute war ich das erste und wohl auch das letzte Mal in einem Konsumtempel. Ist wirklich nicht mein Ding, wirklich nicht.
Naja, meine Nichte Mariam hat sich jedenfalls mit Klamotten eingedeckt. Das wunderbare für die Mädchen ist, dass es dort jede Menge T-Shirts für 3 Euronen gibt, in Worten: drei! Und da hat sie ohne Ende gekauft, weil es in Bahrain zwar die gleichen Klamotten gibt, aber viel viel teurer.
Und nun gehe ich ins Bett.
Früher hatte ich lange Haare, einen kleinen schwarzen Hund namens Trotzki, ein Ferienhaus in der Eifel und einen Mann, der mich betrog. Das war mein erster Ehemann und ich seine zweite Ehefrau. Mittlerweile ist er schon wieder verheiratet. Ob er diese Frau auch betrügt?
Ich glaube fast ja, denn die erste hat er auch betrogen. In Die Kirschen in Nachbars Garten steht es ja wunderbar erklärt, was das heißt, fremdspringen, warum man es tut und dass das eigentlich nichts mit dem Partner zu tun hat. Sondern nur mit sich selber. Und dass man, wenn man dieses „selber“ nicht bearbeitet, es immer und immer wieder tut. Weil es eben einen Grund hat.
Heute, nach so vielen Jahren, kann ich das nur bestätigen. Ich glaube nicht, dass ich damals in der Lage gewesen wäre, es zu verstehen. Zu tief war ich verletzt. Wir haben es natürlich nochmal versucht, Paartherapie, neue Wohnung, vorübergehende Trennung, die ganze Palette. Da er aber sein „selbst“ nicht antastete, blieb letztendlich alles beim alten und am Ende stand dann unweigerlich die Scheidung.
Ich bin jetzt, rechnerechne… seit 15 Jahren aus dieser Ehe entlassen und ganz ehrlich, ich muss mich anstrengen, wenn ich da noch etwas genau erinnern will. Es ist wie ein Film, den ich gesehen habe, mehr aber auch nicht. Wie eine Episode aus Lindenstraße. Ich kann mir diesen Menschen mir nah gar nicht mehr vorstellen, es ist wirklich, als ob es mir einer erzählte und ich sagte, sie müssen sich irren, das bin nicht ich.
Ich bin es aber. Das ist meine Vergangenheit. Sie tut nicht mehr weh. Sie war einfach nur da. Wie meine langen Haare. Sonst nichts.
Ich weiß auch nicht, wie ich das hingekriegt habe, ich war mit den Hunden und wollte eigentlich diese großen runden Strohballen fotografieren, seit Tagen schon, und hatte endlich mal die Camera mit. Die Strohballen waren aber schon weg, naja und dann habe ich ein wenig rumprobiert und dabei ist das dann rausgekommen.
Also nicht direkt. Mein iBook hat iPhoto und da habe ich dann auf „verbessern“ geklickt und herausgekommen ist das. Skuril, oder?
Ich komme nicht über diesen Samenstern hinweg, der rührt mich so an! Begeistert mich richtig! Und stellt mir viele Fragen. Wie oft verlieren wir den Blick für die wirklich wesentlichen Dinge des Lebens? Verzetteln uns in Alltagssorgen und nehmen Dinge wichtig, die im Grunde völlig unwichtig sind.
Solche kleinen Wunder holen mich jedes Mal auf den Boden zurück. Oder wenn ich meinen Mittagsschlaf halte, mein kleiner Freund Mexi neben mir, und dann werde ich wach und zwei Hundeaugen schauen mich an. Ruhig und unverwand blickt er mir in meine Seele und dann erinnere ich mich an das, was wirklich wichtig ist.
Gestern Abend, nach einem sehr anstrengenden Tag, saß ich an meinem Arbeitstisch und merkte, wie so langsam die Lebensgeister wiederkamen. Und dann entdeckte ich diesen Samenstern. Duch die Hitze der Lampe wurde er hin- und herbewegt, es sah wirklich aus wie eine schwebende wunderschöne Schneeflocke.
Meine Küche. Genaugenommen die Kochecke meiner Küche. Ich liebe meine Küche. Sie ist voller Zeug, geerbt, vom Flohmarkt, geschenkt bekommen, gefunden. Ich muss all das Zeug sichtbar und griffbereit haben. Ich brauche das. Je mehr Zeug, desto besser. Ich liebe Zeug. Und ich stehe unglaublich gerne mitten im Zeug und prutschele herum. Kochen ist für mich wie Meditation, ich hantiere gerne mit Lebensmitteln, bereite Speisen zu, ich habe sie gerne in der Hand. Wenn ich etwas kochen will, betrachte ich all mein Kochzeug und überlege, was nehme ich am besten. Ich hoche viel mit Kupfertöpfen, auf meinem kleinen Gasherd. Oder ich dünste in einem 50 Jahre alten Dünsttopf. Das schmeckt richtig gut.
Mein Vater, er wird im Dezember 70, hat mir beigebracht, dass Chaos fürchterlich ist. Dass es wie bei den Hottentotten aussieht. Oder wie bei Hempels.
Unter dem Sofa. Jedenfalls muss Ordnung sein. Sagte er. Und ließ, auf dem Weg von der Haustüre ins Elternschlafzimmer, in regelmäßigen Abständen seine Kleidung fallen. Und meine Mutter ging hinterher und hob sie auf. Davon will er heute nix mehr wissen. Naja. Das Zeugdenken habe ich dennoch von ihm geerbt. Er stand auch immer inmitten seines Zeugs und werkelte herum.
Aber heute habe ich nicht nur zeuggewerkelt, heute habe ich geschlafen. Mit Muxi unter einer Decke.
Dann wurden wir beide wach und schauten uns an. Ein Hund kann einem in die Seele gucken. Wirklich!