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Topfgeschichten

Er hat ihn vernichtet. Den Topf. Als ich mit den Hunden auf dem Feld war. Hat er ihn genommen und umgebracht. Mein Mann ist ein Reistopfmörder. Ein ganz gemeiner Reistopfmörder.

Als ich ihn heute Morgen nach dem Verbleib des Reiskochtopfes fragte, grinste er archaisch und ich hatte kurzfristig eine Vision, es flimmerte vor meinen Augen und ich sah einen Mann, in Lederlappen gekleidet, mit Erdklumpen übersäht und einer Keule in der Hand in einer vom Feuerschein nur notdürftig erhellten Höhle… es flimmerte wieder vor meinen Augen und ich sah nur noch meinen Mann.

War das eine Erscheinung? Wie dem auch sei, er schenkt mir was Neues. Hat er versprochen. Nur keinen Reiskochtopf mehr. Hat er gesagt.

Es flimmert wieder vor meinen Augen…

Warum mein Mann ein guter Mann ist

Ich sitze an meinem Computer und blogge. Könnt Ihr Euch vorstellen, dass diese Art der Kommunikation vor Jahren undenkbar war? Mal eben ein Bild machen? Wenn, dann musste es zum Entwickeln gebracht werden und selbst einscannen war Utopie und was bitte ist ein Blog? Egal, heute ist das alles in Minuten erledigt, kann meine Schwester 6000 Kilometer weit weg mal eben auf meinen Blog gehen und gucken, was bei mir so angesagt ist.

Ich sitze und tippe also. Und das verdanke ich meinem guten Mann. Weil der hat nämlich den Reis auf den Tisch gekippt. Nein, nicht versehentlich, absichtlich. Wirklich. Weil der war pappig und er war sowieso schlecht drauf und die angepappten Reiskörner haben ihm den Rest gegeben und dann hat er noch eine unglaublich dämliche Bemerkung gemacht und da musste ich die Szene verlassen.

Bin dann mit einem Teller lecker Essen in mein Zimmer, habe Fussball geguckt und bin dann mit den Hunden durch die abgemähten Felder gelaufen. Und habe mir vorgestellt, wie ich ihn langsam meuchele, den Mann mit den pappigen Reiskörnern auf dem Tisch. Und nachdem ich ihn dreimal in die Hölle befördert hatte, ging es mir blendend und ich habe den Abendspaziergang mit den Hunden sehr genossen.

Zu Hause angekommen hat er sich seinerseits verzogen, tja und dann bin ich in mein Zimmer und habe mich richtig auf den Abend ganz mit mir alleine gefreut und Kerzen angemacht und dies und das erledigt und jenes sortiert und mir geht es richtig gut!

Habe ich nicht einen guten Mann? Die Reiskörner habe ich übrigens nicht mehr gefunden, den Topf auch nicht. Wo er ihn nur hinhat! Ob ich mal unter meinem Kopfkissen nachschauen soll?

;-)))))))))))))

Stationen ihres Lebens

Hier war Tante Ingelore nach ihren Operationen im Krankenhaus, gelähmt, bis zum Hals verbunden, im Gipsbett. Neben ihr ist die Puppe, die ihre Eltern ihr gekauft haben. Und sie hat gelacht. Sie hat immer gelacht. Woher sie diese Kraft zu Leben nahm und diese Fröhlichkeit, Vater erzählte, dass es Opa und Oma fast das Herz gebrochen hat.

Hier ist sie als junges Mädchen zu sehen, da konnte sie sich schon wieder bewegen, allerdings konnte sie nie wieder richtig laufen.

Unsere Tante war immer eine gut gepflegte Frau, die sehr viel Wert auf ihr Äußeres gelegt hat. Bis ins hohe Alter gab sie sich Mühe, gehörten Lippenstift und Ohrringe immer dazu.

Und so behalte ich sie in Erinnerung, ihre letzten Jahre im Altenheim im Neanderthal:

Meine Tante ist tot

Das ist die Tante meiner Kindheit. So kenne ich sie. So bin ich mit ihr groß geworden. Und nun lebt sie nicht mehr. Mehr als 30 Jahre habe ich mit ihr zusammen gelebt. Erstmals bis ich 21 war, dann wieder ab 32. Da sogar in einem gemeinsamen Haushalt. Wir hatten, bis sie ins Altenheim kam, die Wohnung miteinander geteilt.

Sie wäre so gerne hier geblieben, aber es ging einfach nicht mehr. Sie wurde ein Pflegefall und ich war ja nun tagsüber arbeiten. Da sie schwerstbehindert war, hätte sie auch gar nicht alleine hier bleiben können. So kam sie halt in ein Altenheim.

Das hat ihr gar nicht so schlecht gefallen, sie hatte täglich Besuch von uns, wirklich jeden Tag, und so ging es ihr dort recht gut.

Die letzten Jahre lebte sie dann in Gartow im Altenheim, bei ihrem Bruder, meinem Vater. Die Beiden haben eine sehr enge Bindung und auch dort hat er sie jeden Tag mindestens einmal besucht. Tja und dann ging es ans Sterben. Sie wurde immer weniger, da sie ja schwerstbehinder war, konnte sie sich kaum noch bewegen und es war ein Elend. Anfang des Jahres habe ich sie dort besucht und sie sagte mir, sie möchte gerne sterben, ein solches Leben sei kein Leben mehr, davon wolle sie erlöst werden.

Das wurde sie gestern. Ihre Füße waren schon abgestorben und schwarz, das war also wirklich eine Erlösung. Und doch fällt es mir sehr schwer. Sie war meine einzige Tante, sie war immer da, sie war eine verdammt arme Socke und hatte doch immer Geld für mich, als Jugendliche, sie steckte es mir immer zu. Sie hat meiner Schwester und mir immer beigestanden, immer, sie hätte ihr letztes Hemd mit uns geteilt. Sie hat uns furchtbar geliebt. Wir waren ihr sehr wichtig.

Tante Ingelore. Ich weiß noch, wie sie mir ihre Narben zeigte, an ihren Beinen, von den grausamen Operationen, die sie als Kind über sich ergehen lassen musste, ich durfte sie berühren, mir sie genau anschauen, sie hat mir alles dazu erzählt und ich bin sicher, das hat mich wachsen lassen.

Ich war 4 oder 5, da standen wir an ihrem Fenster, dem heutigen Ess- und Gästezimmer, der Vollmond schien und ich sagte ihr, eines Tages fliege ich zum Mond. Sie schaute mich an und meinte „Wirklich?“ Ja, wirklich! „Das würde ich mich nicht trauen“, meinte sie „aber Du wirst es schaffen!“

Meiner Schwester hat sie auch so oft Mut gemacht. Sie hat uns Kindern immer Mut gemacht. Woher sie diesen Mut nahm, ist mir heute schleierhaft, sie muss eine sehr große Persönlichkeit gewesen sein.

Als Kind durfte ich oft in ihrem Bett schlafen, in dem Zimmer, wo der Mond hereinschien, was heute mein Esszimmer ist. Wir haben uns dann immer unterhalten. Sie und ich. Und ich habe ihr immer erzählt, was ich mal werden will. Nie, nicht ein einziges Mal hat sie gesagt, das geht doch nicht. Sie hat mir immer Recht gegeben. Hat mich immer unterstützt. Ob es der Flug auf den Mond war oder der Wunsch, ein berühmter Gehirnchirurg zu werden (mit 12), völlig egal, sie hat immer gesagt, du schaffst das.

Nun bin ich weder auf den Mond geflogen noch zerschneide ich die Gehirne anderer Menschen, aber das Gefühl, dass ich machen kann, was ich will, das ist geblieben.

Meine Tante ist tot.

Sie hat mir so viel bedeutet und so viel gegeben. Und wenn sie noch so tot ist, sie wird in mir weiterleben!

Mutter und ich

Ich war immer bemüht, es meiner Mutter recht zu machen, denn wenn dies nicht gelang, brach ein Tsunami los. Sie war ein Mensch, dessen Auswirkungen ich nicht überlebt hätte, wäre da nicht meine Oma gewesen.

Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen und noch länger, um damit klar zu kommen und nochmal so lang, um es im mein Leben zu integrieren. Im Grunde bin ich immer noch dabei.

Es gelingt. Aber manchmal ist es schwer.