…wie wäre es, ein ganz anders leben zu führen. Darüber sprach ich eben mit meinem Freund, der wie ich im ÖDie arbeitet, meinem heißgeliebten Öffentlichen Dienst. Nein, ich will jetzt nicht die Diskussion lostreten, dass im ÖDie alles super… ist es nicht! Aber es ist eine andere Art, sein Leben zu planen. Ich habe 1977 mit der Ausbildung zur (und jetzt haltet Euch fest) Reg.Insp.Anw. (echt jetzt, im ÖDie wird alles abgekürzt und das heißt ausgeschrieben Regierungsinspektorenanwärterin) begonnen. Damals der zweite Jahrgang an einer Fachhochschule. Wir haben Beamte von der Pike auf gelernt. So richtig. Heute bin ich Oberamtsrätin a.L. wirklich, also das erste stimmt, a.L. habe ich hinzugefügt. Das heißt „aus Leidenschaft“. Wirklich jetzt, ich bin es aus Leidenschaft. Ich liebe meine Arbeit, ich tue sie gerne, ich finde den ÖDie wichtig, vieles ist Murks und gehört abgeschafft, aber im Grunde ist er wichtig.
Doch das will ich jetzt nicht erzählen. Ich will von meinen Gedanken sprechen, die ich so hatte, als ich in dem „Direktorinnenzimmer“ saß und mir vorstellte, ich wäre nicht in den ÖDie gegangen. Sondern ich hätte sowas gemacht wie mein Schwager, der sich in vielen Jahren harter Arbeit eine Firma aufbaute. Harte Arbeit heißt (und das weiß ich von meiner Schwester) in jungen Jahren schon bis in die Nacht Programme entwickeln, nach vielen vielen Stunden Tagen Wochen Monaten Jahren dieser harten Arbeit den Schritt in die Selbständigkeit wagen und dann weitere Jahre schuften, bis der Laden endlich läuft und erfolgreich ist und dann nicht weniger schuften, weil der Laden läuft und erfolgreich ist. Im Gegenteil, die Arbeit wird eher mehr.
Abgesehen davon, dass ich das nicht gewollt hätte, wäre diese andere Art zu leben auch was für mich gewesen? Diese fehlende Sicherheit, die man im ÖDie nun mal hat? Wäre die tägliche Hektik was für mich gewesen? Das ewige sofort und gleich und jetzt und nix duldet Aufschub?
Ich habe dieser Tage den Luxus einer Was-wäre-wenn-Gedankenreise, deren Voraussetzungen aber so ganz und gar nicht zutreffen, die man aber trotzdem mal einfach so machen kann. Gedanken sind ja bekanntlich frei, haben wir jedenfalls in der Grundschule immer gesungen. Also ich sitze ja jetzt in dem mittleren von drei Direktorenzimmern der Firma meines Schwagers. Ursprünglich, um zu schreiben, ich arbeite grad an Reisegedanken – Gedankenreisen, aber heute habe ich dann in meinem ganz alten Job gearbeitet, ich habe meiner Schwester bei der IT geholfen. Dabei musste einiges mit ihr besprochen werden, sie flippte aber ständig hin und her und war mal da und mal dort, Besprechung, Telefonate, Bewerbungsgespräche via Skype… und ich war froh, wenn ich sie mal für Minuten erhaschen konnte. Und kam so auch in Wallung…
Es machte Spaß. Muss ich zugeben. So arbeite ich ja nun schon seit Jahren nicht mehr, und als dann der Feierabend näher rückte und alles ein wenig ruhiger wurde, ich wieder in dem Direktorinnensessel vor mich hinsinnierte, da stellte ich mir vor, wie ich in diesem Zimmer…
Das sind die Voraussetzungen, die nicht stimmen, von denen ich eben sprach. Ich hätte zunächst einmal Karriere machen müssen, um überhaupt in dieses Zimmer zu kommen. Ich hätte den täglichen Konkurrenzkampf mitmachen müssen, um überhaupt in die Richtung dieses Zimmers… als Schwägerin des Firmenchefs, zu Besuch aus Deutschland… da geht alles. Da kann ich mich in den Direktorinnensessel setzen, kriege Tee gebracht von dem Küchenmädchen, der Pförtner hält mir die Türe auf, gehöre ich schließlich zur Familie vom Boss… DAAAA kann ich dann fein denken und mir vorstellen, was wäre wenn…
Nein, da jetzt mit den Gedanken spielen, ist schön, jaaaa, das hätte ich gerne… aber dahin kommen – nein. Dahin kommen hätte ich nicht gewollt. Das ist einfach so. Ich bin tatsächlich Oberamtsrätin a.L. und mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Ich bin was ich bin. Ich bin da, wo ich bin. Es ist, wie es ist und es ist gut so.
Wenn einem der Pförtner die Türe aufhalten soll (das ist hier im Orient so, regt Euch also nicht auf, so schnell rennen, das man es schafft, die Türe selber aufzumachen, kann nicht mal Usain Bolt), dann muss man dafür bestimmte Dinge tun, Wege gehen, Leistungen erbringen, andere wegdrücken… das alles hätte ich nicht gewollt. Ich bin und bleibe eine Beamtenseele. Auch das ist einfach so.
Mein Freund übrigens auch. Wir sind uns da sehr ähnlich und das ist schön. Zwei ÖDies sozusagen 😛 Oldies und ÖDies 😋
Aber ganz ehrlich, es gibt härtere Dinge im Leben…
😇 …und außerdem, der Pförtner hält mir doch die Türe… AUA! Nicht hauen! 😩